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Monologe im Führerhauptquartier

Monologe im Führerhauptquartier, 19

Führerhauptquartier
mittags, abends und in der
Nacht zum 9. 1941

Entschlußkraft haben heißt nicht, immer etwas tun um jeden Preis. Entschlußkraft ist: nicht zögern in der Verwirklichung dessen, das innerer Erkenntnis nach nun einmal getan werden muß.

Die größte Kraft gehörte dazu, im vergangenen Jahr den Entschluß zum Angriff auf den Bolschewismus zu fassen. Ich mußte damit rechnen, daß im Laufe dieses Jahres Stalin zum Angriff übergeht; es galt, so früh als irgend möglich anzutreten; als frühester Termin ergab sich der Juni 1941. Auch zum Kriegführen braucht man Glück. Wenn ich jetzt daran denke, was haben wir für Glück gehabt!

Ich konnte die Umstellung nicht propagandistisch vorbereiten. Ungezählten wurde das Leben erhalten dadurch, daß kein Artikel je ein Wort enthielt, das auf das Geplante schließen ließ. Ich habe mit der Möglichkeit gerechnet, daß der eine oder der andere in den Reihen der Wehrmacht noch mit einem Komplex Kommunismus behaftet ist! Die jetzt dabei waren, haben bestimmt alle umgelernt; aber vordem hat niemand gewußt, wie es wirklich drüben aussieht, und wie viele mochten sich sagen: Wir haben doch den Freundschaftspakt mit ihnen!

Der deutsche Soldat hat sich wiederum als der beste der Welt erwiesen; er war es zur Zeit Friedrichs des Großen und er war es von Anbeginn. Wenn es darauf ankommt standzuhalten, dann zeigt sich seine ganze Kraft. Der Unteroffizier hat seine Gruppe beisammen, der Zugführer seinen Zug. Noch am Ende des Westfeldzuges hat man sagen hören, die Härte des Infanteristen aus dem Weltkrieg habe der heutige Soldat doch nicht. Hier im Osten hat es sich erwiesen, daß er sie besitzt.

Während wir diesmal im Westen einen waffenmäßig überlegenen Gegner nicht gehabt haben, muß die russische Kriegsvorbereitung als phantastisch bezeichnet werden. Unsere Wehrmacht von heute ist besser als die Wehrmacht von 1914/18. Der Weltkriegssoldat hatte die gleich großartige innere Haltung. Aber die Angriffstaktik von damals war etwas ungemein Rückständiges, und die Armee war mit schwerer Artillerie nur unzulänglich ausgerüstet. Trotzdem würden wir 1918 noch den Sieg errungen haben, hätten wir damals den rechten Flügel um drei Korps verstärken können;[1] das würde schon damit erreicht worden sein, daß man aus Heeresgruppen, deren Aufgabe lediglich die Verteidigung war, entbehrliche Einheiten herausnahm. Aber das Verbot sich aus der Rücksicht auf Anciennität und Rangansprüche der fürstlichen Heerführer.

Man hat im Weltkrieg den Kampfwert der Einzelperson nicht gekannt: Nicht nur im Bewegungskrieg – 1914 – sind die Einheiten geschlossen vorgegangen, auch im Graben waren die Posten viel zu dicht beisammen. Ein Fehler war es andererseits, daß man 40-50 jährige Männer zu Kompanieführern hatte. Sich bewegen können, laufen, auf, nieder, ist für die Infanterie alles; dazu braucht man jugendliche Kompanieführer.

Der halbe Erfolg liegt in der Überraschung. Deshalb darf man eine Operation, mit der man Erfolg gehabt hat, nicht einfach wiederholen.

Antonescu[2] bedient sich vor Odessa der Weltkriegs-Taktik: Er rückt jeden Tag einige Kilometer vor, nachdem er, was in dem Raum war, mit Artillerie – er ist dem Gegner darin mächtig überlegen – dem Erdboden gleichgemacht hat. Unter den da gegebenen Umständen kann man schließlich auch so verfahren.

Die Operation, die jetzt im Werk ist – eine Einkesselung mit einer Tangente von zunächst mehr als 1000 Kilometern -, ist von manchen für unmöglich gehalten worden; ich mußte schon meine ganze Autorität aufbieten, sie durchzusetzen,[3] wie überhaupt ein gut Teil unserer Erfolge nur dem zuzuschreiben ist, daß wir den Mut zu »Fehlern« gehabt haben.

Der Kampf um die Hegemonie in der Welt wird für Europa durch den Besitz des russischen Raumes entschieden; er macht Europa zum blockadefestesten Ort der Welt. Es sind das wirtschaftliche Perspektiven, die den liberalsten westlichen Demokraten der neuen Ordnung geneigt machen werden. Jetzt müssen wir es durchbeißen. Das übrige ist eine Frage der Organisation.

Man braucht diese Urwelt lediglich zu sehen und weiß, daß hier nichts geschieht, wenn man den Menschen die Arbeit nicht zumißt. Der Slawe ist eine geborene Sklaven-Masse, die nach dem Herrn schreit; es fragt sich nur, wer der Herr ist. Der Bolschewismus hat uns da einen großen Dienst erwiesen. Er hatte zunächst das Land an die Bauern aufgeteilt. Die Folge war ungeheuere Hungersnot; es blieb nichts übrig, als in der Form der Staatsdomänen die Grundherrschaft wieder einzuführen, nur, daß der frühere Herr etwas von der Landwirtschaft verstanden hatte, während dem politischen Kommissar das Wissen darum fehlte; eben erst war man im Begriff, durch Landwirtschaftsschulen die kommende Generation von Kommissaren in dem zu unterweisen, worauf es ankommt.

Wenn die Engländer aus Indien hinausgetrieben würden, so würde Indien verkommen. Das ist hier genauso. Der Nationalsozialismus könnte nicht einmal nach Ungarn exportiert werden. In der breiten Masse ist der Ungar so faul wie der Russe; er ist der geborene Steppenreiter. Insoweit hat Horthy[4] recht, wenn er sagt: »Bei mir sinken die Bodenerträge, wenn ich den Großgrundbesitz aufgebe.« In Spanien ist es dasselbe; Spanien würde verhungern, wenn der Großgrundbesitz verschwände.

Der deutsche Bauer hat den Trieb weiterzukommen, er denkt an seine Kinder; ein ukrainischer Bauer aber wird nicht nach dem Imperativ der Pflicht handeln. Bedingt gibt es ein Bauerntum unseres Stiles noch in Frankreich, sehr stark in Holland und in Italien, wo jeder Quadratmeter in einem wahren Bienenfleiß ausgenutzt wird.

Der russische Raum ist unser Indien, und wie die Engländer es mit einer Handvoll Menschen beherrschen, so werden wir diesen unseren Kolonialraum regieren. Es wäre verfehlt, den Eingeborenen erziehen zu wollen. Was wir erreichen würden, ist ein Halbwissen, das zur Revolution führt. Es ist kein Zufall, daß der Erfinder des Anarchismus ein Russe war.[5] Wäre die russische Menschheit nicht durch andere, angefangen von den Warägern, zum Staat organisiert worden, so wären sie Kaninchen geblieben. Man kann Kaninchen nicht zum Leben der Bienen oder Ameisen erziehen. Diese haben die Fähigkeit, Staaten zu bilden, Hasen haben sie nicht. Sich selbst überlassen, würde der Slawe nie über den engsten Familienkreis hinausgekommen sein.

Die nordisch-germanische Rasse hat den Staatsgedanken geboren und dadurch verwirklicht, daß sie dem einzelnen Zwang antut, sich in ein Ganzes zu fügen. Die Volkskraft, die im Blut unserer Menschen schlummert, zu wecken, ist die Aufgabe, die wir uns zu stellen haben.

Die slawischen Völker hingegen sind zu einem eigenen Leben nicht bestimmt. Das wissen sie, und wir dürfen ihnen nicht einreden, sie könnten das auch. Wir haben 1918 die baltischen Länder und die Ukraine geschaffen.[6] Wir haben aber heute kein Interesse an dem Fortbestand der ostbaltischen Staaten und an einer freien Ukraine. Rechristianisierung wäre der größte Fehler, denn das wäre Wiederorganisierung. Ich bin auch nicht für eine Universität in Kiew. Wir bringen ihnen das Lesen besser nicht bei. Sie lieben uns gar nicht, wenn wir sie mit Schulen quälen; es wäre schon falsch, sie auch nur auf eine Lokomotive zu stellen. Wir haben auch keinen Grund, mit einer Neuverteilung des Bodens anzufangen. Die Eingeborenen werden künftig aber weit besser leben als jetzt. Wir finden in ihnen die Menschen zur Bearbeitung des Bodens, der uns heute abgeht.

Wir werden ein Getreide-Exportland sein für alle in Europa, die auf Getreide angewiesen sind. In der Krim haben wir Südfrüchte, Gummipflanzen (mit 40 000 ha machen wir uns unabhängig), Baum-wolle. Die Pripjet-Sümpfe geben uns Schilf. Den Ukrainern liefern wir Kopftücher, Glasketten als Schmuck und was sonst Kolonialvölkern gefällt. Unsere Deutschen – das ist die Hauptsache – müssen eine festungsartig in sich geschlossene Gemeinschaft bilden, – der letzte Pferdebursche muß höher stehen als einer der Eingeborenen außerhalb dieser Zentren.

Für die deutsche Jugend wird das ein Gebiet sein, wo sie sich Vorarbeiten kann. Dänen, Holländer, Norweger, Schweden nehmen wir mit herein. Für den deutschen Soldaten haben wir die Übungsplätze, für die Luftwaffe die von ihr benötigten Räume. Wir dürfen es nicht so machen wie vor dem Krieg in den Kolonien, wo neben der deutschen Kolonial-Gesellschaft eigentlich nur kapitalistische Interessen am Werk waren. Der Deutsche soll das Gefühl für weite Räume bekommen. Wir müssen ihn in die Krim bringen und in den Kaukasus. Es ist ein Unterschied, ob man das auf der Landkarte sieht oder ob man einmal da gewesen ist. Die Bahn hat dabei die Funktion des Frachtverkehrsmittels, das Land wird uns durch die Straße erschlossen.

Die Leute träumen heute von einer großen Weltfriedenskonferenz. Lieber führe ich zehn Jahre Krieg, als daß ich mir den Sieg auf solche Weise wegstehlen lasse. Ich habe ja keine unmäßigen Ziele; im Grunde sind es lauter Gebiete, in denen einmal schon Germanen gesessen haben. Das deutsche Volk soll in diesen Raum hineinwachsen.

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[1] Zu Beginn des Ersten Weltkriegs mißlang die Umfassung der französischen Armeen. Der deutsche Vormarsch mußte 1914 infolge fehlender Kräfte und einer Krise am gefährdeten rechten Flügel an der Marne eingestellt werden. Am 9. September 1914 traten die deutschen Armeen den Rückzug an.

[2] Ion Antonescu, 1882-1946, 1937-1938 rumänischer Kriegsminister, vom 6. 9. 1940 – 23. 8. 1944 Staatsführer. Seit 1941 Marshall von Rumänien.

[3] Die Schlacht bei Kiew vom 21. 8.-27. 9. 1941, bei der laut Wehrmachtsbericht 665 000 Gefangene gemacht, 884 Panzerkampfwagen, 3718 Geschütze und sonstiges Kriegsgerät zerstört oder erbeutet wurden.

[4] Nikolaus Horthy von Nagybänya, 1868-1957, Flügeladjutant Kaiser Franz Josephs, im Ersten Weltkrieg Konteradmiral und letzter Oberbefehlshaber der österreichisch-ungarischen Flotte, 1. 3. 1920 – 15. 10. 1944 Reichsverweser des Königreichs Ungarn. Wurde von Hitler zur Abdankung gezwungen und in Bayern interniert.

[5] Michael Bakunin, 1814-1876, stammte aus einer adligen russischen Familie, kam in Paris mit Marx und Proudhon in Verbindung, beteiligte sich 1848 an der Revolution in Deutschland. Mitbegründer der 1. Internationale, überwarf sich aber mit Marx und wurde 1872 wegen anarchistischer Tendenzen ausgeschlossen.

[6] Über die Friedensverhandlungen mit Rußland in Brest-Litowsk, deren Scheitern, den deutschen Vormarsch und die Errichtung von Deutschland abhängiger Staaten im Baltikum und in der Ukraine vgl. Winfried Baumgart, Deutsche Ostpolitik 1918, Wien und München 1966.