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Monologe im Führerhauptquartier

Monologe im Führerhauptquartier, 13

Führerhauptquartier

8. 1941, mittags H/Fu.

Es ist kein Wunder, daß der Kommunismus in Sachsen sein stärkstes Bollwerk hatte und daß wir die sächsischen Arbeiter nur ganz allmählich gewonnen haben, wie auch, daß sie jetzt zu den Treuesten gehören: Das dortige Bürgertum war von einer geradezu blödsinnigen Borniertheit. In den Augen der sächsischen Wirtschaft waren auch wir Kommunisten; wer eintritt für eine soziale Gleichstellung der Masse ist bolschewistisch! Was man an der sächsischen Heimarbeit gesündigt hat, ist unvorstellbar. Es war das eine Plutokratie wie heute in England. In Sachsen war von der Wehrmacht bereits ein allmählicher Zerfall des Volksmaterials festgestellt. Ich werfe keinem von den kleinen Leuten vor, daß er Kommunist war; vorzuwerfen habe ich es nur einem Intellektualisten: Er wußte, daß die Not ihm Mittel zu einem Zweck war. Betrachtet man dieses Geschmeiß von Bürgertum, dann wird man jetzt noch rot. Die Masse ist den Weg gegangen, der allein möglich ist. Am nationalen Leben hatte der Arbeiter keinen Anteil: Zur Enthüllung eines Bismarck-Denkmals zum Beispiel oder zu einem Stapellauf war nie eine Arbeiter-Delegation eingeladen, man sah da nur Zylinder und Uniformen. Für mich ist der Zylinder identisch mit der Bourgeoisie. Es gibt nichts Schöneres, als die alte »Woche« anzuschauen,[1]ich habe die Jahrgänge. Ich kann nur sagen, das muß man studieren: beim Stapellauf nur Zylinder, auch noch nach der Revolution; das Volk war lediglich Staffage für die Anfahrt der hohen und höchsten Herrschaften. Der Kaiser hat einmal eine Arbeiter-Delegation empfangen; die hat er so angeschnauzt, er hat sie sofort verwarnt, er würde ihnen die kaiserliche Gnade entziehen. In ihren Bezirksversammlungen brauchten die Delegierten bloß die kaiserliche Rede zu interpretieren. Im Krieg war es dann zu spät, andererseits war man aber auch zu feige und hat nicht gewagt, der Sozialdemokratie den Kopf zu zertreten. Bismarck wollte das, daneben die soziale Gesetzgebung, ein Weg, der bei konsequenter Verfolgung innerhalb von zwanzig Jahren zum Ziel geführt haben würde.

Thälmann, das ist der Typ dieses kleinen Mannes, der nicht anders handeln konnte. Das Schlechte bei ihm ist, daß er nicht so klug war wie zum Beispiel Torgler. Er war der geistig Beschränktere; deshalb konnte ich Torgler laufen lassen, während ich ihn zurückhalte, nicht aus Rache, sondern nur, weil er eine Gefahr bedeutet.[2] Sobald die große Gefahr in Rußland beseitigt ist, kann er hingehen, wohin er will. Die Sozialdemokratie brauchte ich nicht festzusetzen, weil es keinen ausländischen Staat gab, bei dem sie hätte Schaden stiften können. Der Pakt mit Rußland hätte mich nie bestimmt, der Gefahr im Innern gegenüber eine andere Haltung einzunehmen.50 Aber an sich sind mir unsere Kommunisten tausendmal sympathischer als zum Beispiel ein Starhemberg;51 es waren robuste Naturen, die, wenn sie länger in Rußland gewesen wären, vollkommen geheilt zurückgekommen sein würden.

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[1] Die Woche, eine im März 1899 in Berlin gegründete, politisch parteilose illustrierte Wochenschrift, die im Scherl-Verlag erschien.

[2] Ernst Thälmann, 1886-1944, Vorsitzender der KPD 1925-1933; am 3. März 1933 verhaftet, über elf Jahre in Einzelhaft in Moabit, Hannover und Bautzen, am 18. 8. 1944 im Konzentrationslager Buchenwald erschossen.

Ernst Torgier, 1893-1963, 1924-1933 Mitglied des Reichstags, 1929-1933 Fraktionsvorsitzender der KPD. Einer der Hauptangeklagten im Reichstagsbrandprozeß. Wurde freigesprochen und 1935 aus der anschließend über ihn verhängten Schutzhaft entlassen, nachdem er den Nationalsozialisten Material für deren antikommunistische Propaganda geliefert hatte. 1935 aus der KPD ausgeschlossen.