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Monologe im Führerhauptquartier

Monologe im Führerhauptquartier, 1

Erster Teil 1-74

5 Juli bis 31. Dezember 1941

 

Führerhauptquartier Samstag, 5. Juli 1941

H/Fu.

Was uns fehlt, sei eine übersichtliche Darstellung des Lebenswillens, der Lebensart der Völker. Der Unterschied zwischen der faschistischen und der russischen Volksbewegung: die faschistische sei unwillkürlich in die Bahn der alten römischen Gemeinschaftsbildung gelaufen, während die russische in der Richtung der Anarchie tendiert.

Der Russe strebe von Haus aus nicht nach Gemeinschaftsbildungen höherer Art. Völker können auch in der Art leben, daß es eine Zusammenfassung von Familieneinheiten zu einem Ganzen nicht gibt; wenn Rußland staatliche Form im abendländischen Sinne habe, so sei das lediglich ein Ergebnis von Zwang.

In gewissem Sinne sei alle menschliche Kultur, das Schöne, ein Ergebnis von Zwang, dessen, was wir Erziehung nennen; die arischen Völker haben aber eine Veranlagung zur Tätigkeit; ein Mann wie Krümel[1] sei tätig von früh bis spät, ein anderer denke immer; der Italiener sei bienenfleißig; für den Russen sei die höchste Kulturschöpfung der Wodka, das Ideal: nur immer das Notwendigste zu tun; Arbeit in unserem Sinne und noch mehr Arbeit, wie ein Arier sie vielleicht von ihm verlangt, seien ihm Plage.

Es sei fraglich, ob man in Rußland ohne den Popen auskomme; der Pope habe den Russen getröstet darüber, daß er zur Arbeit verurteilt ist; dafür werde es ihm im Jenseits gut gehen. Der Russe wird arbeiten, wenn er unter einer eisernen Organisation steht; aber er ist nicht in der Lage, sich selbst zu organisieren, er ist lediglich organisierbar; der Tropfen arischen Blutes in einzelnen Adern sei es, was dem russischen Volke Erfindungen und Staatsorganisation gegeben hat. Zur starken Hand der Herrschaft gehöre ein gerechtes Regiment, das setze er voraus bei jeder Führung; wie aber das Pferd, wenn es nicht ständig im Zaum gehalten wird, im Nu alle Erziehung von sich werfe – in Amerika seien einige Pferde ausgekommen und einige Jahrzehnte darauf habe das Land über ungeheuere Herden wilder Pferde verfügt: so rasch habe das Pferd zur Natur zurückgefunden -, so sei auch im Russen immer vorhanden der Urtrieb, zur Natur zurückzukehren: das sind für ihn die Lebensformen, in denen die Familie existiert; wie eine Hasenmutter werde die Russin ihre Kinder versorgen: mit allem, was zur Mütterlichkeit gehört; aber mehr will der Russe nicht. Seine Auflehnung gegen den Zwang der staatlichen Organisation – und sie bedeutet immer einen Zwang, weil sie die Freiheit des einzelnen beschneidet – sei brutal und blindgrausam, wie immer die Reaktion des Weibischen; wenn er dabei scheitere, breche er zusammen in Selbstanklagen; diese Revolutionen seien es, in denen er zurückstrebe zur Natur. So bleibe ihm der Nihilismus die Form seiner Revolution.

Der Chef meinte des weiteren:

Er glaube, daß es noch an tausend Stellen öl gebe; bei der Kohle wüßten wir, wie die Kohlenvorräte abnehmen: es entstehen Hohlräume; beim Öl wissen wir nicht, ob sich die Räume nicht wieder aus uns unsichtbaren Reservoiren füllen. Der Mensch sei vielleicht die gefährlichste Mikrobe, die man sich denken kann: Die ganze Erde nimmt er aus, ohne danach zu fragen, ob es vielleicht Stoffe sind von Lebenswichtigkeit für ein Leben anderer Region, das mit dem Mikroskop nach der Ursache von Verheerungen ausschaut, die sich auf der Erdoberfläche bemerkbar machen.

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[1] Der Koch in Hitlers Sonderzug, der unter diesem Scherznamen bekannt war.