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Monologe im Führerhauptquartier

Monologe im Führerhauptquartier, 5

Führerhauptquartier

Nacht vom 22. auf 23. 7. 1941 H/Fu.

Überlegen ist der Engländer dem Deutschen durch sein Selbstbewußtsein. Selbstbewußtsein hat nur, wer befehlen kann.

Überall in der Welt sitzen Deutsche an der Arbeit, ohne daß sie den ihnen dafür gebührenden Lohn erhielten; ihre Leistung wird anerkannt, aber daß sie nur ihrer Arbeit leben, läßt sie denen, die an ihnen verdienen, nur bedauernswert erscheinen.

Woran es liegt, daß der Deutsche in der Zeit bis zum Weltkrieg in der angelsächsischen Welt nicht gern gesehen war? Um 1870 hatten wir einen ungeheuren Bevölkerungszuwachs. Die Folge war, daß jährlich zwei- bis dreihunderttausend Menschen auswandern mußten. Dem konnte man abhelfen nur, wenn man diese Menschen in den Arbeitsprozeß einschaltete. Als Arbeitsprodukt kamen in Frage lediglich Erzeugnisse aus den deutschen Rohstoffen Kohle und Eisen. Der Bedarf an Erzeugnissen aus diesen Stoffen war bis dahin durch England gedeckt worden. Die Engländer pflegten erste Qualität zu verlangen und dafür hohe Preise zu bezahlen. Dem, der unter solchen Umständen ins Geschäft kommen will, bleibt nichts übrig, als den Monopolisten zu unterbieten. Unser Bienenfleiß hat uns zur Herstellung von Massenartikeln instand gesetzt; diese waren billig, aber sie konnten nicht die Qualität der englischen Erzeugnisse haben. Wir waren Anfänger und kannten die Produktionsgeheimnisse nicht. So kam es, daß auf einer Weltausstellung in Philadelphia in den achtziger Jahren die deutsche Produktion das Prädikat »billig und schlecht« erhielt.[1] Mit der Zeit haben sich dann aber drei Produktionsgruppen herausgebildet, in denen unsere Arbeit der englischen Qualität überlegen war: die chemische Industrie, an der Spitze die Pharmazeutik, die Farben- Herstellung und dann vor dem Weltkrieg die Gewinnung von Stickstoff aus der Luft; die Herstellung elektrischer Geräte und die Erzeugung optischer Instrumente. England hat diese Konkurrenz so lebhaft zu spüren bekommen, daß es sich mit aller Macht dagegen wehrte. Aber weder die handelspolitischen Versuche, wie der Schutzzoll, zwischenstaatliche Verträge noch das Prädikat »Made in Germany« halfen! [2]

Für den Engländer bestand das Lebensideal in der Daseinsform des Victorianischen Zeitalters: Dem Engländer waren die ungezählten Millionen des Kolonialreichs und 35 Millionen Menschen im eigenen Land dienstbar, dazu kam eine Million bürgerlicher Mittelstand und darüber tausend Herren, denen der Ertrag aus der Arbeit der anderen mühelos zufloß. Für diese englische Herrenschicht war das Aufkommen Deutschlands das Unglück. Im Grunde war mit unserem wirtschaftlichen Aufstieg das Schicksal Englands bereits besiegelt, und künftig wird sich das englische Reich nur halten können, wenn Deutschland dazu steht. Ich glaube, das Ende des Krieges ist der Anfang der dauernden Freundschaft mit England. Voraussetzung dafür, daß wir mit ihnen in Ruhe leben, ist der Knock-out-Schlag, den der Engländer von dem erwartet, den er achten soll. 1918 muß ausgelöscht sein.

Auf Einwurf von G[erda] D[aranowski], ob wir denn gegen die Gefahren des Lebens im Reichtum gewappnet seien, denen England nun zu erliegen droht: Ja, dem dient meine Sorge um die Kunst. Drüben ist Kultur wie Sport ausschließlich Sache der Herrn, und in keinem Land wird Shakespeare so schlecht gespielt wie in England; sie lieben die Musik, werden aber nicht geliebt von ihr, und sie haben auch keine Denker von letztem Format; was gilt der Masse des Volkes dort die National-Galerie? Ihre Reformation ist auch nicht wie die deutsche aus Gewissensnot, sondern aus Staatsüberlegung geboren. In Bayreuth trifft man mehr Franzosen als Engländer, und sie haben keine Oper und kein Theater, an dem gearbeitet wird wie in den Hunderten deutscher Theater.

Aber: ich habe viele Engländer und Engländerinnen kennengelernt, die ich schätze, wenn auch die, mit denen wir offiziell zu tun hatten, keine Männer waren. Sie sind doch das Volk, mit dem wir uns verbinden können.

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[1] Die Weltausstellung in Philadelphia 1876.

[2] Nach dem Merchandise Marks Act von 1887 mußten die in England eingeführten deutschen Waren die Kennzeichnung »Made in Germany« führen.